Bewahren Sie in dieser schwierigen Situation Ruhe und reagieren Sie überlegt. Das bedeutet, einerseits dem Vertrauen gerecht zu werden, das in sie gesetzt wird und andererseits nicht vorschnell und impulsiv zu handeln.

  • Loben/Bestätigen Sie das Mädchen/den Jungen für ihren/seinen Mut, sich Ihnen anzuvertrauen.
  • Vermitteln Sie dem Mädchen/Jungen, dass Sie ihr/ihm glauben und dass Sie wissen, dass es viele Kinder und Jugendliche gibt, denen ähnliches passiert. Legen Sie dem Kind auf keinen Fall in den Mund, dass es sexuelle Gewalt erfahren hat (oder „sexuell missbraucht“ worden ist).
  • Achten Sie bei der Gesprächsführung darauf, möglichst wenig Fragen zu stellen und wenn, dann beschränken Sie sich auf sog. „W-Fragen“ (Wer, Was, Wann, Wo, Wie) oder Fragen über die Befindlichkeit des Kindes.
  • Häufig fühlen die Mädchen/Jungen sich selbst schuldig für das, was ihnen angetan wurde. Bringen Sie deutlich zum Ausdruck, dass die Verantwortung für die sexuelle Gewalt allein beim Täter liegt.


Hinweise für den weiteren Ablauf:


1. Verwickeln Sie das Kind nicht in Rechtfertigungszwänge und verleiten Sie es nicht, durch Nachfragen das Geschehen in ausführlicher Breite darzustellen.
2. Bleiben Sie in einer inneren Haltung der Zugewandtheit und Empathie, halten Sie Ihre Emotionen kontrolliert („Low emotion“).
3.  Für ein eventuell folgendes Strafverfahren ist es wichtig, zu wissen, dass jede Befragung des Kindes, insbesondere eine suggestive, für die Glaubwürdigkeit des Kindes später problematisch sein kann. Unterlassen Sie im Gespräch alles, was als Suggestivfrage gewertet werden könnte (vgl. Punkt 3.).
4.  Halten Sie die Angaben des Kindes schriftlich, wenn möglich wörtlich fest (Dokumentation).
5.  Versprechen Sie nichts, was Sie vielleicht nicht halten können. Versprechen Sie insbesondere nicht, dass Sie mit niemandem über das reden werden, was Ihnen anvertraut wurde. Sagen Sie ehrlich, dass Sie andere Personen (vertraulich) einbeziehen müssen, um bestmöglich helfen zu können.
6.  Seien Sie verbindlich und bleiben Sie im Gespräch mit dem Kind. Sagen Sie dem Mädchen/dem Jungen, dass Sie Zeit benötigen, um über das, was Ihnen berichtet wurde, nachzudenken. Überlassen Sie es aber nicht dem Mädchen/Jungen, Sie wieder anzusprechen, sondern machen Sie einen festen Zeitpunkt aus, an dem Sie sich weiter unterhalten.
7.  Hilfe bei sexueller Gewalt braucht in der Regel das Zusammenwirken verschiedener Fachkräfte. Wenn Sie sich von einer Fachstelle bzw. -person beraten lassen, bevor Sie weitere Schritte unternehmen, zeugt dies von Ihrer Kompetenz. Nur so kann letztlich ein längerfristiger Schutz für die betroffenen Mädchen und Jungen erreicht werden (Vernetzung).
8.  Beim weiteren Vorgehen sollte nicht über den Kopf der Betroffenen hinweg entschieden werden, sonst werden sie - ähnlich wie beim Erfahren sexueller Gewalt - zum Objekt des Geschehens. Die Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse der Betroffenen sollten im Zentrum der weiteren Überlegungen stehen. Die Mädchen und Jungen müssen somit die Möglichkeit bekommen, zu Handelnden des Hilfeprozesses zu werden und aus ihrem Opfererleben herauszufinden. Das zu gewährleisten ist Aufgabe von Beratungsfachleuten (Keine Entmündigung des Opfers).
9.  Der Kontakt der Lehrkraft mit einer Fachperson über vermutete sexuelle Gewalt kann sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, ohne dass sich ein Verdacht erhärten ließe. Bestätigt sich hingegen der Verdacht, so ist es Aufgabe der Fachperson, weitere Schritte einzuleiten (z.B. Kontakt zum Jugendamt, zur Polizei oder Staatsanwaltschaft).