Aus der Arbeit mit Tätern ist bekannt, dass sexualisierte Gewalt vom Täter/von der Täterin beabsichtigt, bewusst geplant und häufig lange vorbereitet wird. Oft führen weniger intime Formen sexueller Handlungen im Lauf der Zeit zu einer Vergewaltigung. Ein vom Täter manchmal möglichst fließend gestalteter Übergang von einem vom Kind gewünschten positiven und als angenehm empfundenen Körperkontakt zu einem eindeutigen Übergriff kann dazu führen, dass Kinder an der eigenen Wahrnehmung zweifeln. Sexuelle Gewalt beginnt dort, wo der Täter bewusst eigene Bedürfnisse durch sexuelle Handlungen an oder mit einem Kind befriedigt. Dabei ist unwesentlich, ob das Kind der Handlung scheinbar freiwillig zustimmt oder nicht.
Die Ziele des Erwachsenen seine Bedürfnisse zu befriedigen und das Opfer zur Geheimhaltung zu zwingen spielen bei sexuellen Übergriffen eine zentrale Rolle. Oft intensiviert der Täter die Beziehung zum Kind durch emotionale und körperliche Zuwendung sowie materielle Belohnungen und missbraucht somit die kindlichen Gefühle für seine Interessen. Sexueller Missbrauch ist immer ein Gewaltakt, auch wenn der Täter seine Interessen nicht mit körperlicher Gewalt durchsetzt und seine Ziele häufig auch mit zunächst minimalen Grenzverletzungen zu erreichen sucht. Sexuelle Gewalt beginnt mit der geringsten Überschreitung des sexuellen Selbstbestimmungsrechtes des Kindes. Nicht jede der beschriebenen Formen der sexuellen Misshandlung ist immer auch ein sexueller Missbrauch im Sinne des Strafgesetzbuches. (Siehe § 184 c Strafgesetzbuch, S. 9)
Täter sind gerade dort aktiv, wo Kinder ein besonderes Schutz- und Vertrauensverhältnis genießen sollten. Deshalb ist es besonders wichtig, dass Personen, die mit Kindern arbeiten, ihre eigene Präsenz, Körperlichkeit und sprachliche Ausdrucksweise aufmerksam beobachten und – auch im professionellen Austausch mit anderen - reflektieren und gegebenenfalls ändern.